Schaugarten 2023 Giardina 2023

Dä Max chunt au – Begegnungen im Grünen

Unter dem Titel «Dä Max chunt au» zeigt Winkler Richard Naturgärten einen Ort, der verbindet: Mensch und Natur, aber auch Mensch und Mensch. Ihr Schaugarten lädt zu Stunden bei fröhlichen Familienfesten ein, wie zum stillen Beobachten der Libellen am Teich und zwitschernder Vögel in den Hecken.

Um im Garten verschiedene Zimmer zu schaffen, verwendete Winkler Richard Naturgärten Raumteiler in Form von weich geschnittenen Wildsträucherhecken. Über zwei Jahre wurden diese "Grünen Wolken" in einer Baumschule kultiviert. Eine Besonderheit ist, dass die getopften Gehölze wie ein Puzzle zusammengesetzt werden können. Dicht verzweigt und ineinander verwachsen vereinen sie heimische Wildsträucher und Ziergehölze, die im Frühling zugleich Blickfang und Insektenmagnet sind. Mit ihren Gärten schaffen Inhaber Peter Richard und Geschäftsführer Pascal Fischer sowie rund vierzig Mitarbeitende wertvollen Lebensraum. Der Schaugarten «Dä Max chunt au» zeigt auf, dass sich hinter dem Naturgarten eine Lebensphilosophie verbirgt, die sowohl den Menschen wie auch die Natur zelebriert.


Hintergrundgeschichte zu "Dä Max chunnt au"

Unsere Eltern sagten, dass mein Bruder ein Unfall war. Also nicht geplant. Diese Aussage hat mir als Bub bestätigt, dass ein Unfall so werden muss, wie Max gewesen ist. Heute frage ich mich, ob man die Geburt eines Menschen so rechtfertigen darf. Mein Bruder war zehn Jahre jünger als ich. Ich hatte eine enge Bindung zu ihm. Das war nicht immer so. Doch als ich mich etwas früher pensionieren liess, war einer der Gründe Max. Ich wollte mehr Zeit mit ihm verbringen.

Er lebte damals in einer Wohngruppe für Menschen mit einer Beeinträchtigung. Seine Arbeit in der Flechterei, einer geschützten Werkstätte, gab ihm Struktur und selbstverdientes Geld. Fast jedes Wochenende besuchte er uns. Er fuhr mit dem Bus in unser Viertel. Der Weg von der Haltestelle bis zu unserem Haus ist in drei Minuten zu Fuss gut zu machen. Für Max war diese Wegstrecke eine kleine Tageswanderung. Seine erste Rast machte er beim «Blauen Café». Dort liess er sicheine kalte Schokolade bringen und ass dazu genüsslich eine Zimtschnecke. Ausgerüstet mit einer Zeitung, deren Aktualität von keiner Wichtigkeit war, sass er am Tisch und tat so, als lese er. Ablenken liess er sich auch gerne von Baustellen, die es auf dem Weg immer irgendwo gab. Er vergass nie, zu prüfen, ob die Ladentür der Schneiderin verschlossen war. Bei unseren Nachbarn klingelte er Sturm, um sich seinen Traubenzucker zu holen, bis er schliesslich vergnügt unser Gartentor erreichte und lauthals «de Max chunnt au» rief. Der Zucker von der Zimtschnecke, den er mir mit seinem nassen Kuss übergab, hinterliess mir beim Ablecken meiner Lippen die vertraute Nähe meines Bruders.

Max liebte seine Rituale und nie hätte er auf sie verzichtet. Dies änderte sich, als wir beschlossen, unseren Garten umzugestalten. Max begann zu zeichnen, vertiefte sich in Gartenbilder und mass Länge und Breite unseres Gartens mit seinen Schritten ab. Es verblüffte mich, mit welcher Selbstverständlichkeit er auf dem Entwurf von Peter Richard die Gestaltung erkannte. Meistens lag er quer über dem Tisch, um zu zeigen, was er auf dem Plan entdeckt hatte, oder er zeichnete seine Ideen gleich selbst ein. So, dass das grosse Papier bald aussah, als sei eine Horde Kreidestifte darüber galoppiert.

Als der Gartengestalter den Vorschlag machte, Max könne bei der Ausführung mithelfen, war das für ihn der Beginn einer unglaublich bedeutenden Zeit. Wir wussten, wie schwierig es war, Max aus seiner Struktur in der Flechterei zu nehmen. Und doch beschlossen wir, es zu versuchen. Ich übernahm die Begleitung, und das Abenteuer begann. Kräftig und mit viel Stolz half Max, unseren Garten zu verändern. Er liebte es, früh am Morgen auf die Gärtner zu warten. Mit dem Ruf «de Max chunnt au!» lief er ihnen entgegen. Der Garten war für ihn Rückzugsort und Freizeitvergnügen. Beobachtungsplatz und Naschecke. Lebenslust und Abschiedsort. Noch immer höre ich sein Jauchzen, wenn das Wasser im Teich seine Beine umschmeichelte und er den Bauch einzog, bis er, ausgerüstet mit seinen Schwimmhilfen, den Sprung in das kalte Nass wagte.

Max hatte viele Lieblingsplätze im Garten. Viele Gartenschätze hat er gesammelt, verstorbene Vögel oder Mäuse vergraben, Kunstwerke aufgestellt. All diese Erinnerungen erfüllen mich mit Demut. Max hat mich mit seinen Augen geführt. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Jetzt ist unser Garten im Winterschlaf. Erste Schneeglöckchen lassen sich blicken und wilde Krokusse zeigen sich in den Ecken. Ich schlendere jeden Tag durch unsere Gartenzimmer. Würde die dünne Eisschicht des Teichs mich tragen? Max versuchte immer, sachte auf das Eis zu stehen. Niemand konnte sich so für die Natur begeistern und so beharrlich etwas wollen wie er. Sein unverkennbares Lachen und seine schnellen Bewegungen mit den Händen, wenn er sich freute. Ich vermisse ihn. Er hätte Sie sicher gerne begrüsst an der Giardina. Mit einem fröhlichen «de Max chunnt au!».